JLID - Vernunft und Religion
Vernunft und Religion
"Einst sah der Baal Schem Tow einen Mann, der völlig ins Studium seiner Bücher vertieft war. Er sagte: „Dieser Mann ist so in seine Studien vertieft, dass er die Anwesenheit Gottes in dieser Welt vergessen hat.“ Eine chassidische Lebensweisheit
Es ist wohl eine sehr jüdische Eigenart, auf eine Frage mit einer Gegenfrage und auf eine Geschichte mit einer Gegengeschichte zu antworten und ja, sie ist auch mir zu eigen. Der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho schreibt in seinem Roman „Der Alchimist“ ein ähnlich anmutendes Gleichnis. Ein Jüngling zieht aus von einem weisen Mann das Geheimnis des Lebens gelehrt zu bekommen. Er wird beauftragt einige auf einen Löffel geträufelte Öltropfen durch den Palast des Gelehrten zu tragen. Sobald der Jüngling seine Augen von dem Löffel löst und seine Umwelt zu bestaunen beginnt, verschüttet er das ihm anvertraute Öl. Dies ist also unseres Lebens Aufgabe: unseren Blick zu heben, die Wunder dieser Welt zu schauen, ohne darüber die Öltropfen auf dem Löffel zu vergessen.
Der Landesrabbiner Mecklenburg-Vorpommerns, Rabbiner William Wolff seligen Angedenkens, hat auch mich vieler Gleichnisse gelehrt. So erinnere ich mich an einen seiner Briefe, den er mit den Worten betitelte: „Ich habe heute G’tt gesehen“. Und es war nicht schwer Ihn zu erblicken. Er sah Ihn auf jeder Wiese, im Grün des Frühlings und im tiefen Rot des Herbstes. Er erblickte G’tt auf jeder Straße, auf der Kinder lachten und spielten. Er sah G’tt in der unermesslichen Freude von Eltern über ihr neugeborenes Kind und der tiefen Trauer von erwachsenen Kindern, die ihre Eltern zu Grabe tragen. Er erblickte G’tt im eigenen Spiegelbild, denn jeder Mensch ist das Resultat einer g’ttlichen Schöpfung.
Das Judentum lebt nicht allein vom Studium der Lehre und der Gesetze G’ttes, es fordert auch ihre Umsetzung. Dazu zählt, nach der Gegenwart G’ttes Ausschau zu halten. Und -wie Rabbiner Wolff sagen würde - es ist nicht schwer, SEINE Anwesenheit zu erkennen. Denn um G’tt zu sehen, brauchen wir nur unseren Blick von den Büchern zu heben und genau hinzuschauen.
Schabbat Schalom wünscht Ihnen Ihre Anna Basina aus Lübeck
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Der Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland
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