Schabbat Shalom - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Schabbat Shalom - 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

JLID - Der erste Schritt der Umkehr

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Der erste Schritt der Umkehr

Der erste Schritt zur Umkehr, der der wesentlichste, gleichzeitig aber auch der schwerste ist, ist das Bekenntnis oder vielmehr das Eingeständnis vor sich selbst, dass man gesündigt hat. Nicht Gott braucht dieses Geständnis oder Bekenntnis, denn Gott kennt uns ganz und gar und tatsächlich sogar viel besser, als wir uns selbst kennen. Aber wir selber haben das ehrliche und offene Bekenntnis nötig. Wir müssen es uns selbst eingestehen, dass wir falsch gehandelt haben. Samson Raphael Hirsch

Ich heiße Anna Basina, ich bin ELES Stipendiatin und studiere Medizin an der Universität Lübeck. Heute kommentiere ich einen Text von Rabbiner Samson Raphael Hirsch.

In der abendländischen Philosophie genießt die menschliche Vernunft eine gewaltige Wertschätzung. Es sind die Verstandeskraft und Einsichtsfähigkeit des Menschen, die ihn zu moralischem Handeln befähigen. Wir alle wissen, was richtig und falsch ist. Falsch ist zum Beispiel, wie vor langer Zeit auf zwei Steintafeln festgehalten, die Ehe zu brechen, falsch Zeugnis abzulegen oder sich an fremdem Eigentum zu vergreifen und dennoch begegnen uns im Alltag Ehebruch, Lügen und Diebstahl. Die Divergenz zwischen menschlichem Denken und Handeln offenbart den hoch konfliktären Zustand der kognitiven Dissonanz. Dieser Begriff aus der Sozialpsychologie beschreibt nichts anderes als den Umstand, dass wir ständig Fehler machen und sündigen, obwohl wir es eigentlich besser wissen.

Kognitive Dissonanz entsteht, wenn zwei zugleich bei einer Person bestehende Kognitionen einander widersprechen oder ausschließen. Das Erleben dieser Dissonanz führt zum Bestreben der Person, diesen Spannungszustand aufzuheben. Die in der Philosophie viel gerühmte Vernunft und Geisteskraft hat manche technischen Tricksereien wie Ausreden, Ausflüchte, billige Vergleiche und Selbstüberlistungen hervorgebracht, um die inneren Konflikte des Menschen ohne große Anstrengung aufzulösen und unser tiefes Bedürfnis nach Bestätigung als Gutmenschen zu befrieden.

Wer es versteht, selektiv Informationen zu leugnen, den Überbringer einer unangenehmen Wahrheit zu disqualifizieren, die eigene Zuständigkeit und Verantwortung abzustreiten oder sich im Vergleich zu anderen positiv aufzuwerten, kommt ohne große Schwierigkeit und ohne jegliche kognitive Dissonanz durchs Leben. Ein Beispiel: Eine bestandene Klausur mit der Note ‚befriedigend’ sei als ‚gut’ zu titulieren, ‚gut’ als Äquivalent der Note ‚2’ und die Zensur ‚2’ als eine beinah erreichte Bestbewertung, also die ‚1’ anzusehen.

So einfach will es uns das Judentum aber nicht machen. Es akzeptiert keine Tricksereien als Scheinlösungen, sondert fordert die schwierige und unbequeme Auseinandersetzung mit unserer unbeschönigten Wirklichkeit. Das aufrichtige Bekennen der eigenen Fehler ist der schwierigste, aber auch der einzig richtige Schritt sich aus der Falle des sozialpsychologischen Begriffs von kognitiver Dissonanz zu befreien. Das aufrichtige Eingestehen von Fehlschritten bringt nicht nur emotionale Entlastung, sondern bestätigt den Menschen in seiner Selbstwirksamkeit und befähigt ihn begangene Fehler entweder rückgängig zu machen, aus ihnen zu lernen oder mit ihnen zu leben. Für mich ist es ein sehr bestärkender Gedanke zu wissen, dass die Mühe des ersten Schrittes zur Umkehr immer lohnenswert ist, da die folgenden Schritte gezielter, genussvoller und mit einem größeren Bewusstsein gesetzt werden können.

Schabbat Schalom, Ihre Anna Basina

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Über diesen Podcast

Die erste urkundliche Erwähnung jüdischen Lebens auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands stammt aus dem Jahr 321 n.Chr. – deswegen wird in diesem Jahr das Jubiläum begangen.

Jeden Freitag nehmen uns junge Jüdinnen und Juden dazu in diesem Podcast mit in die Welt des Judentums. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks, dem Begabtenförderungswerk der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, teilen mit uns ihre Gedanken zum Schabbat und zum jüdischen Leben in Deutschland.

Auf der ganzen Welt ist für Jüdinnen und Juden der Schabbat der Ruhetag. Er beginnt am Freitag mit Sonnenuntergang und endet am Samstagabend. An diesem Tag kommen Familie und Freundinnen und Freunde zusammen, der Tag ist ganz der Ruhe gewidmet.

„Schabbat Shalom“ – „Einen friedlichen Schabbat“ – ist der traditionelle Gruß für Jüdinnen und Juden.

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